Cornovaglia Cornouailles

Ortsnamen

Neapel sehen und dann sterben.‹ Ein unfrommer Spruch. Und doch blieb mir mein Besuch am 13. März MIM unvergessen, in ›Napoli‹ (italienisch vorne betont), englisch ›Naples‹ (spricht Näpls).
   Was mich auf die unterschiedlichen Namenssitten bringt und zu einem Plädoyer, im Deutschen durchaus deutsche Namen zu verwenden, ja, fremde Namen ruhig auch mehr deutsch als möglichst originalgetreu auszusprechen. Der Leser und Hörer muss wissen, was oder wen man meint, nicht bloß unsere Sprachengewandtheit bewundern und sich ansonsten fragen, wo denn »Brüssels« oder »Brassels« ist. Brüssel heißt das, und Rom und Mailand, Trient und Paris (deutsch gesprochen), Prag und Pressburg (oder von mir aus nach alter Rechtschreibung Preßburg, dort Bratislava). Ja, die östlichen Orte: Ist’s nicht revanchistisch, wenn man Warschau sagt? Gewiss nicht. Und wenn man Königsberg sagt statt Kaliningrad? Auch da bin ich sehr für Königsberg – wo hat man sonst noch Gelegenheit, einen so schönen Namen zu nennen. Man kann ja am Textanfang einmal erklärend Kaliningrad in Klammern dazusetzen. Ich bin auch für Brünn, für Karlsbad und für Laibach (Ljubljana) – alte, uns wohlklingende Namen. Nur bei Agram, da weiß ich nicht, ob junge Leser noch Zagreb dahinter erkennen. Schade ...
   Also bitte: Nutzen Sie in deutschen Texten deutsche Ortsnamen, so wie es in anderen Sprachen wie dem Englischen ganz natürlich ist. Lassen Sie den Neapolitanern ihren Vesuv, ohne ihn selbst Vesuvio zu nennen.

Siehe auch meine Tipps »Nationale« Orte oder »das italienische Brixen«, Jena und ›Namensrecht‹ – Personennamen, vom politisch inkorrekten Tipp 151 ganz zu schweigen.
   Ein fachkundiger Artikel von Prof. DDr. H. P. Koch
Fritz@Joern.Dewww.Joern.De – ©Fritz Jörn MIM
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Zum linken Bild: Giorgia (Claudia Leone) sagt im Fotoroman »Petali di rosa« (©Lancio 2002): »Zehn Tage London und dann Besichtigung der wunderschönen Landschaften des Cornovaglia. Ich kanns nicht erwarten!«. Was mag denn das sein, dieses schöne »Cornovaglia«, italienisch-wörtlich wohl so etwas wie ein »Geweihgutschein« ...? Es hat ursprünglich wirklich etwas mit einem Horn zu tun! Erraten? Nach einer »Weizenwand« klingt das jedenfalls nicht. Und wenn Sie’s immer noch nicht erraten haben, dürfen Sie bei mir nachfragen. Zum rechten Bild: Piotrald Pathibulsen: « Et le château de Grossous, sur la côte de Cornouailles, qui ne nous a rapporté que vingt kilos d’ or ! » – Mickey: « Gasp ! » Mickey Parade Géant N° 284, février 2005, Tagada, voilà … Les Vikings ! 308 pages, 3,90 €, À travers l’ histoire: Dingorik le Rouge, p 81., Texte de Giorgio Pezzin – dessins de Marco Palazzi
   
Was uns das sagt: Ausländisches ruhig in der eigenen Sprache benennen!

Und hier die Diskussion zum Thema:
 
    Sehr geehrter Herr Jörn,
    Sie kennen mich nicht, aber durch Ihre Webseite kenne ich Sie (ein wenig). Besonders Ihre Wortliste (tipsn78) hat mir am Anfang sehr gut gefallen. Und ich dachte: Das ist gut, endlich eine Liste von Gut und Böse im deutschen Sprachgebrauch. Nun ja, bis ich zu Großbritannien und gelinkterweise (ist das nicht ein schönes Wort?) zu den Niederlanden und den USA gekommen bin. Und dann sträubten sich bei mir die Nackenhaare, weil Sie mich an meine extrem strenge Geografielehrerin erinnert haben. Und diese Erinnerung ist so stark, die Prägung in meinem Hirn so tief, das ich nicht anders kann und Ihnen sagen muß: Wer von England spricht, meint nicht Großbritannien sondern nur einen Teil, und auch Holland ist und bleibt neben Flandern nur ein Teil der Niederlande. (Es heißt übrigens »Die Niederlande«, weil es eben mehr als ein Land sind. Es mag ja sein, dass viele umgangssprachlich Holland mit den Niederlanden gleichsetzen, aber es ist schlichtweg (einfach) falsch. Niemand käme ja auf die Idee, von Bayern zu sprechen und Deutschland zu meinen. Fragen Sie mal einen alten Schotten, was der denkt, wenn Sie seine Heimat als Teil eines englischen Gartens betrachten.
    Und was das mit den USA, United States of America, den Vereinigten Staaten, zu tun hat, bleibt rätselhaft. Diese Staaten sind vereinigt, und das seit über 250 Jahren, und ich wette, das bleibt auch so. Nur wer von Amerika spricht und die USA meint, dem sollte man sagen: Das ist ein Amerikanismus, weil viele US-Amerikaner eben die USA mit Amerika gleichsetzen. Für mich ist das zwar ein Bildungsmangel, aber nicht in Sachen Rechtschreibung, Grammatik oder Ausdruck, sondern in Geografie. Deutsch 1, Erdkunde 6.
    Mit freundlichen Grüßen, Henry Rose (E-Mail vom 11.12.2001)

Lieber Herr Rose,
    Sie sagens, und treffender könnte es nicht beurteilt werden: Deutsch 1, Erdkunde 6! Nur wird ja nicht immer so streng gerichtet als in der Schule, und auch dort wohl schon lange nicht mehr. Ihre gestrenge Erdkundelehrerin hat es Ihnen richtig gesagt, etwa, dass Amerika nicht USA ist und Holland nicht die Niederlande(n) und umgekehrt auch nicht. Ich will aber einmal absehen von der strengen Mengenlehre, die dem Ortskundigen lehrt, ein Teil sei nicht das Ganze.
    In der Sprache, besonders der Umgangssprache, da treffen die Wörter besser, wenn sie einen Teil zum typischen Ganzen machen, pars pro toto, oder einen leichten Begriff, wie eben »Amerika« für die »Vereinigten Staaten von Amerika«. Richtig ist das nicht. Wer schreibt, für Amerika bräuchte man kein Visum mehr, schreibt Unsinn, wenn das für die Vereinigten Staaten gilt, nicht aber – sagen wir – für Peru. Sichtvermerktechnisch gibt es kein »Amerika«. Wenn ich aber im Sommer in Amerika war, dann wissen Sie, wo ich war, sprachlich sogar richtiger als sagte ich, ich sei in den Vereinigten Staaten oder gar in »der USA« gewesen. Denn, sprachlich-spitzfindig wie ich bin, habe ich ja nicht alle diese vereinigten Staaten aufgesucht, sondern nur Kalifornien, Nevada, Utah, Wyoming und Colorado.
    Wie so oft beim Schreiben oder Reden kommt es also auf die Umstände an. Wo Präzision verlangt ist, rechtlich vielleicht oder als klare Abgrenzung, da ists vielleicht das Vereinigte Königreich und Nordirland, worüber wir reden. Ich aber will, weit weg von der Strenge alter Schulen und amtlicher Erlasse, im Leser ein Bild erzeugen, eine Vorstellung, Erinnerung und Phantasie, und dafür brauche ich bescheidene Begriffe, kurze, unpomp- und -prätenziöse, sonst bleibt er mir hängen am Wort statt an der Sache. Selbst wenn ich einmal englisch schreibe, was eigentlich amerikanisch ist, und genauer noch genommen US-amerikanisch, so ists für mich bloß simples Englisch.
    Im Ernst: Geographische Bezeichnungen, Orts- und Flussnamen, sind sprachlich kniffliger als alles andere. Ein Reisebüro beklagte sich jüngst bei mir, es sei einfach nicht richtig, nicht praktisch, alte Namen zu nehmen (siehe unten). Doch als gestern im Fernsehen gefragt wurde, in welchem »italienischen Tal« Brixen läge, da sträubten sich meine Nackenhaare. Das Eisacktal mag in Italien liegen, ein italienisches Tal wirds dadurch noch lange nicht!
    Ihr Fritz Jörn

Lieber Herr Jörn,
    Ihnen scheint schreiben Spaß zu machen. Und Sie haben recht, manchmal (eigentlich immer) ist es besser, einfache Worte zu benutzen, wenn Sie denn treffend sind. Und mit Beispielen kann man alles beweisen, weil es zu jeder Regel eine Ausnahme gibt. Letztere wird, wenn es nötig ist, als Beweis angeführt. Nur manchmal wird die einfache Ausdrucksweise ungenau, schwammig, nichts sagend bis hin zu falsch. Zum Beispiel, wenn man Amerika sagt und Wyoming meint. Das ist zwar richtig aber schwammig (nicht falsch). Ich glaube, der Zweck solcher Aussagen ist, den Gesprächspartner neugierig zu machen. Weil jeder sofort fragt: Wo warst’n da? Da Sie das wußten, haben Sie auch gleich die Antwort gegeben (Wyoming).
    Ergo, die Menschen wollen es genau wissen. Das wird nicht nur jedem Journalisten beigebracht, sondern mittlerweile auch als Werbung für guten Journalismus genutzt (»Fakten, Fakten, Fakten«). Nun bin ich beileibe kein Journalist, sondern Ingenieur und Vertriebsleiter und lerne jeden Tag mindestens soviele Menschen kennen wie Journalisten in ihrem Beruf auch (nur Journalisten sind bei mir selten dabei). Und die meisten schreiben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Heute durfte ich einen Satz zweimal korrigieren: »Die Rechnung ist in keinster Weise gerechtfertigt«. Nun, die erste Korrektur springt Ihnen ins Auge, ohne weitere Worte (»keinster«). Über »gerechtfertigt« kann man natürlich diskutieren, will ich aber nicht. Jeder weiß, was gemeint ist. Das Schlimme war nur, dass es eben doch richtig war, diese Rechnung zu schreiben, und sich ein wichtiger Satz wiedermal als ebenso richtig erwies: »Fehler fördern die Kommunikation«. Die Folge war ... naja Sie wissen schon, reden, reden, reden. Wenn Sie dann ohne Fakten da stehen, können Sie einpacken, und Ihre Felle schwimmen Ihnen davon. Woraus folgt: Fakten helfen, Probleme zu lösen und zu vermeiden, je nach dem, wann man sie bekommt. Und wenn dann einer schreibt, »Niederlande« würde nur in Verträgen benutzt, dann sträuben sich wieder meine Nackenhaare und ich denke: Entweder arbeitet er bei der Bildzeitung (da heißt es Deutschland—Holland 1:2) oder er sieht nicht ZDF, wo es heißt Deutschland—Niederlande.
    Einen schönen Abend noch, Ihr Henry Rose (E-Mail vom 12.12.2001)

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Sehr geehrter Herr Jörn,
    da haben Sie sicherlich ein Problem (wieder neu, sicherlich nicht?) entdeckt! Sie setzen sich vehement für die deutsche Namensschreibung im Ausland liegender Orte ein: »Nutzen Sie in deutschen Texten deutsche Ortsnamen, ...«.
    Das ist ja sicherlich bei einigen, von Ihnen auch aufgezählten, Orten vollkommen richtig. Was uns, die im Reisegewerbe Tätigen, aber irritiert, sind deutsche Ortsbezeichnungen, die schon seit
Trianons Zeiten, oder spätestens seit Ende des Zweiten Weltkriegs durch jeweils inländischsprachige ersetzt wurden. Es wird nun schwierig – zwar haben wir ja allerlei mögliches (Land-)Kartenwerk – wenn ein Kunde eine Reise mit Übernachtungsmöglichkeiten »in der Nähe von Fischhausen« buchen möchte. Sicherlich wissen nur die Eingeweihten, dass eine Übernachtungsmöglichkeit in Pillau bestünde. Aber wäre es nicht einfacher, die zweifache Ortsbezeichnung, in diesem Falle in Deutsch und in Russisch, zu wählen! Dann hätten wir bessere Chancen, in der Nähe von Primorsk eine Übernachtungsmöglichkeit in Baltijsk zu finden! Allerdings käme ja noch die Option hinzu, die Orte vielleicht in der landessprachlichen Bezeichnung, wie hier in Kyrillisch, zu schreiben ...[Litauisch ist Pillau wohl Piliava, Fischhausen Zuvininkai oder Skanavikas. Alle Links von fj]
    Es ist wirklich schwierig, hier eine Einigung zu finden! Machen Sie es uns leicht: Schreiben Sie zweisprachig und Sie bekommen sofort Hotelbestätigungen für Hotels in Tîrgu Secuiesc, aber auch in Szekler Neumarkt und in Kézdivásárhely ...
    Sehen Sie, es wird noch problematischer: ein Ort, drei Bezeichnungen! Jetzt mischen z.B. auch noch die Ungarn mit, die ja auch Ihre Ortsbezeichnungen siebenbürgischer Städte haben ... Oh, wir Armen, was kommt da auf uns zu ...
    In diesem, auch humorvollem, Sinne: »Oh Schatz, schau mal, diese klugen Schweizer, haben nicht nur drei Sprachen, selbst die Orte übersetzen Sie: Luzern meinen die deutsch-, Lugano die italienisch- und Lausanne die französischsprachigen Schweizer ...« [– wo wir doch hier in Bayern »Lausitz« dazu sagen! – ergänzt fj]
    Mit freundlichen Grüßen, Joachim Fritz (E-Mail vom 16.11.2001)

Lieber Herr Fritz,
    das ist nett, wie Sie das schreiben. Stünde diese Ihre Replik im Netz, ich würde glatt dorthin verweisen, und gerne! Als altem Südtiroler, noch dazu in Brünn geboren, ist mir die Geschichte mit der Toponomastik sehr bewusst. Ich möchte die Benennungsfrage einmal auf eine höhere Ebene heben: Man schreibe in jedem Text so, dass der Leser es versteht, dass es »bei ihm klingelt«. Wenn also der Stern partout über »Trento« statt über »Trient« schreibt, dann ärgert mich das. Bei Istanbul würde jedoch selbst ich nicht mehr Konstantinopel schreiben, höchstens hinzufügen, dass das früher mal das war. (Bei Agram wäre ich im Zweifel.) Und das schlagen Sie ja auch vor.
    Mir geht das mit Eigennamen generell so, dass ich mich von Fall zu Fall entscheide, wie ich ihn – immer dem Leser zuliebe (und ein bisschen für mich ;-) – schreibe, den Stern auch gewiss nicht so, wie er sich selbst schreibt, in protzigen Versalien.
    Kurz: Ihre wohlüberlegte Replik gefällt mir. Lösen tut sie das Problem nicht, weil man ja nicht immer mehrere Namen hintereinander schreiben, schon gar nicht gefällig sprechen kann. Dass sich für Deutsche östliche Ortsnamen nach dem zweiten Weltkrieg schlagartig geändert hätten, das finde ich nun aber nicht und eher ein Missverständnis der Geschichte. Für Ihre Gruppenreisen müssen Sie halt überlegen, ob Sie sie für Vertriebene, für Käsefreunde oder für Erlebnisabenteurer machen, wenn Sie sie nach Tilsit oder nach Sowesk einladen ... Viel Erfolg dabei!
    Ihr Fritz Jörn