Gehobene Sprache und die Bibel

Eine der letzten Chancen für die gehobene Sprache hat vor Jahren die neue, einheitliche Bibelübersetzung ungenutzt verstreichen lassen. Das Thema ist wert, angesprochen zu werden, nicht weil wir uns stets gehobenerer Sprache befleißigen müßten, sondern weil die ›Höhe‹ einer Sprache ein Mittel ihres Stils ist. Gehobene Sprache klingt erhaben, glaubwürdig oft, getragen von Gewißheit, Sicherheit. Ein wichtiges Anschreiben zum Beispiel, ein Dankesgruß, ein Glückwunsch – da mag man schon überlegen, ob der Stil stimmt.

Doch ›durchgehend gehoben‹ wirkt heutzutage geschraubt, und umgekehrt: Unerwartete Wechsel in der Sprachhöhe sind sehr wirkungsvoll, ein eingestreutes »Sch...« zum Beispiel. So kraß wird man's nicht treiben, aber eine freundliche, fast flapsige Floskel hat schon manchen Geschäftsbrief aufgelockert, gibt Persönlichkeit, Wärme. »Wollen wir uns bei Ihnen oder bei mir treffen?« – das darf man auch im Brief schreiben, nicht nur sagen.

Achten Sie gelegentlich auf Ihren Sprachstil. Springt er in seiner ›Höhe‹? Und wenn, ist's gewollt? Wem schreibe ich, einer Behörde oder einem Jungunternehmer? Kann ich den auch mit »Lieber Herr« anreden, statt mit »Sehr geehrter«? Wie deutlich darf die Aufforderung im letzten Absatz ausfallen: »darf ich Sie bitten« oder »bitte ich Sie« einfach, was ja sprachlich sauberer ist?

Soviel hier zur gehobenen Sprache. Einen sehr schönen, langen Vortrag zur gehobenen Sprache finden Sie hier.

Wen die biblische Geschichte interessiert – und ein bißchen Bibel tut nicht nur der Sprache immer gut – der sehe sich die Bergpredigt in den verschiedenen Übersetzungen an.

Besonders die Stelle mit dem Licht, das man nicht unter den Scheffel stellt, zeigt die sprachliche Schwäche, aber auch die bessere Verständlichkeit der neuen Einheitsübersetzung: Dort mutiert der ›Scheffel‹ nämlich zum ›Eimer‹. In der Tat war ein Scheffel ein oben offenes Holzgefäß etwa für Getreide und bis 1872 ein Hohlmaß für schüttbare feste Körper, je nach Landstrich rund 30 bis 300 Liter.

Die Scheffel finden Sie bei Matthäus 5,14f (»Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berge liegt, kann nicht verborgen bleiben. Auch zündet man kein Licht an und stellt es unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter. So leuchtet es allen im Hause.«), bei Lukas 11,33 (»Niemand zündet ein Licht an und stellt es in einen verborgenen Winkel oder unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter, damit die Eintretenden das Licht sehen.«) und bei Markus 4,21 (»Er sagte auch noch zu ihnen: ›Kommt etwa das Licht herein, damit es unter den Scheffel oder unter das Bett gestellt wird? Und nicht vielmehr, damit man es auf den Leuchter setze?‹«)

Bibelsuche zum Beispiel unter http://www.hti.umich.edu/relig/luther/bool.html oder - nicht besonders schön dargestellt - http://nobi.ethz.ch/bibel/suchen.html, auch http://www.hti.umich.edu/relig/luther/bool.html.

Vortrag »Unsere Sprache verliert das Angesicht« von Uwe Förster
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