Was uns Abælard lehrt

Peter Abælard wird als »Vater der Scholastik und letztlich der europäischen Wissenschaft überhaupt« angesehen. Das meint jedenfalls Dr. Peter Robl im Vorwort zur deutschen Abælard-Übersetzung. Abaelardus, der Mann mit den sechsundsechzig Namen, schrieb Latein, und schätzte dennoch mehr »die übliche Sprache der Ungebildeten«. Er lebte 1079 bis 1142, sehr bewegt und recht romantisch ...
   Dubitando enim ad inquisitionem venimus. Inquirendo autem veritatem percipimus. – das ist wohl sein bekanntester Spruch, dem Hauptwerk
Sic et Non (Ja und Nein) entnommen, frech übersetzt: »Zweifelnd fragen wir nach – fragend finden wir dann die Wahrheit.« Sauberer sagts Robl: »Durch zweifeln nämlich kommen wir zum Hinterfragen. Durch das Hinterfragen aber erfahren wir die Wahrheit.« Wie auch immer, der Rat ist gut! Abælards ganze Methodik bespricht Robl im zweiten Absatz seiner Vorbemerkungen (»Man sammle möglichst umfassend ...«), und ich will schon aus Respekt vor ihm nur dorthin verweisen. In der anschließenden Abælard-Übersetzung stammen die rot-kursiven Zwischentitel vom Übersetzer – man sieht sie gerne als gliedernde Zusammenfassungen –, sonst folgt der deutsche Text dem lateinischen Original.
   Vor allem den heiligen
Augustinus (354 bis 430) bemüht Abælard gerne und zitiert ihn mit: »Wer lehrt, sollte sich nicht darum kümmern, mit welcher Beredsamkeit dies geschieht, sondern mit welcher Anschaulichkeit!« Non curante, inquit, illo qui docet, quanta eloquentia doceat sed quanta evidentia. – Denn schon damals müssen leere Sprüche die Öffentlichkeitsarbeit beherrscht haben. Hochgestochenes Zeug klingt zwar schön, wird aber von keiner Sau verstanden: »Das Wort soll so verkündet werden, dass es nicht der üblichen Gelehrtensprache entspreche, sondern eher der üblichen Sprache der Ungebildeten. Denn in der lateinischen Sprache ist es zwangsläufig schwer verständlich und doppeldeutig, wird es dagegen in der Sprache des Volkes verkündet, werden Doppeldeutigkeit und Geheimsäkrämerei vermieden« – In bonis doctoribus tanta docendi cura sit ut verbum quod, nisi obscurum vel ambiguum, latinum esse non potest, vulgi autem more sicut dicitur ut ambiguitas obscuritasque vitetur, non sic dicatur ut a doctis sed potius ut ab indoctis dici solet. Ja, Abælard empfiehlt sogar stilistisch mutig eine »gewisse Art von sorgfältiger Nachlässigkeit« – quamdam ›diligentem negligentiam‹ – und meint damit wohl das leicht Feuilletonistische, das ich so schätze ...
   Dennoch ist Bescheidenheit angesagt: »Es spricht für eine ausgezeichnete Begabung, in den Worten den Wahrheitsgehalt zu lieben und nicht die Worte selbst.« – Insignis est indolis in verbis verum amare non verba. Man opfere dem Wortspiel nie das, was man sagen will.
   Und jetzt lesen Sie bitte bei Abælard
weiter ...

Die illustre Website www.Abaelard.De von Dr. Werner Robl, so schön und ausführlich sie erscheint, ist nicht gerade lesefreundlich. Am besten besieht man sie mit dem Microsoft-Explorer, denn sie steckt voller kaskadierender Style-Sheets, die Abælard und Netscape noch nicht kannten. Man besorge sich gefälligst die gedruckten Ausgaben, oder kopiere sich den Text per Copy-Paste vor dem Ausdrucken um.
   Den lateinischen Text von Sic et Non finden Sie übersichtlicher bei Professor Rand
Johnson auf http://lab2.cc.wmich.edu/johnsorh/MedievalLatin/Texts/AbelardSic.html.

P. S. Wer eine lateinische Rechtschreibkorrektur für Word hat, bitte melden!
Literatur zu Abælard, englisch, meist rosa ...
Warum ich über Technik schreibe
Meine Sprach- und andere Tipps:
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Fritz@Joern.Dewww.Joern.De – ©Fritz Jörn MMII
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