Hier zu meiner schönsten Glosse
Und hier eine inzwischen historische Geschichte über die »Heimat im Internet«:

Wir basteln uns eine Homepage

Wie man sich zulegt, was noch nicht alle Netzsurfer haben

»Home is, where my page is«, meinen Internet-Insider. Da wollen wir nicht fehlen. Nun braucht es zu einer Selbstdarstellungsseite im Internet zweierlei: den Inhalt und den Rechner, wo das Gewünschte sich auf der Festplatte dreht und mit Sicherheit jederzeit abrufbar ist. Denn nichts ist dümmer, als wenn einer bei der Anfrage entweder die Nachricht bekommt »Diese Seite befindet sich erst im Aufbau« oder gar den vielgesehenen großen »Error«, der vermuten läßt, daß die http-aufgerufene Adresse schweigt oder gar nicht vorhanden ist. (HTTP ist das Hypertext-Transferprotokoll, mit dem sich Internet-angeschlossene Rechner verstehen.)

Alle herkömmlichen Anbieter elektronischer Post, von Compuserve bis T-Online, bieten Homepage-Speicherung an (T-Online von der Cebit 1997 an). Hinzu kommt noch eine Vielzahl neuer Dienstleister wie Eunet, Kallisto oder Regioservice. Große Unternehmen wenden sich an große »Provider«. Wir spielten Mittelstand und fanden eine freundliche Dienstleisterin in Hamburg, die com.unit: Bei Frau Schaf (Telefon 040-21 11 05 25, Fax 21 11 05 26, E-Post P.Schaf@ComUnit.De) fühlten wir uns sofort wohl. Denn Pia Schaf, die wir nur elektronisch kennen, ist eine Wirtsfrau im Internet, wie man sie sich nur wünschen kann: Sie hilft bei den ersten Schritte im Netz und sorgt dann mit für die »Möblierung« der Seiten.

Technisch ist man auf ihrem Rechner Untermieter. Das sind selbstzusammengestellte Pentium-Rechner, einer als Server und einer als »Spiegelserver«, 133 Megahertz schnell, mit auf 32 Megabyte ausgebautem Speicher, jeweils mit 2,1-Gigabyte-Platten. Eine Standleitung mit 256 kbit/s führt hinein ins Internet, zu Interactive Networx GmbH, also zu Pia Schafs Provider. Server-Software auf dem Unix-Betriebssystem Linux machen aus den Rechnern von Frau Schaf einen Pop, einen Point of Presence, auf dem wir dann unsere Seiten haben. Die »Zimmerpreise« sind für einen Profidienst noch moderat, 115 Mark im Monat. Dafür gibt es bei com.unit fünf Seiten Text, monatlich bis zu 5 MB Daten hin oder her plus elektronischer Post.

Nun zum Inhalt userer »Just-for-fun«-Homepage. Dafür haben wir uns zunächst selbst ein wenig im Netz nach Beispielen umgesehen. Ergebnis: Ellenlange Darstellungen sind vernichtend; Bilder sollten etwas aussagen, wenn man schon so lange auf sie wartet, und nicht unnötig groß und damit pixel- und bitreich sein; eine Menü-Auswahl muß auch bei bloßer Textdarstellung erkennbar bleiben. Der Erfolg des Internet ist Einfachheit in der Darstellung, im Zugriff, in der Anpassung an den Empfänger – also haben wir simpel heruntergetippt, was wir von uns sagen wollten. Kein Zweispalter, keine fünf Schriftgrößen oder andere Desktop-Publishing-Sünden, schlicht Informationen.

Ein Computer-Fanatiker hätte seinen Text in das Internet-interne HTML-Format gewandelt, in die Hypertext Markup Language (wo ein »ö« wie »ö« aussieht) – was macht das Ganze besonders leicht für Gateways der E-Mail passierbar. Auch das ist keine Affaire, HTLM-Editoren gibt es inzwischen zuhauf und kostenlos. Doch da wir ohnehin einen Dienstleister haben, ersparten wir uns das und sandten einfach den Text auf einer Diskette nach Hamburg. Das Konterfei dazu hatten wir schon früher scannen lassen, ehrlich gesagt von der Frisurenberatung der Zeitschrift »Journal für die Frau« (Caroline Oemler, Telefon 040-347-26191); sie bietet für 21 Mark ein Programm an, mit dem man auf zwei Köpfen vierzig neue Frisuren ausprobieren kann. Die beiden Gesichter, die natürlich nicht weiblich sein müssen, fanden sich als Dateien im Graphic Interchange Format in drei Größen auf der Diskette.

Jetzt aber kommt's: Wir wollten eine Homepage allererster Klasse haben. Es gibt Seiten, die sozusagen irgendwo im überfüllten Netz in den Tiefen eines Unterverzeichnisses rangieren, etwa eine Kundenseite bei T-Online wie http://Home.T-Online.De/home/Wolfgang.Emmelmann [Beispiel aktualisiert, fj]. Mnemotechnisch keineswegs hochbegabt, wollten wir es den Lesern leichtmachen. Also bestellten wir uns eine eigene »Domäne«. Nach vergeblichen Versuchen, das selbst über die vielbeanspruchten Gralshüter deutscher Internet-Adressen in Karlsruhe zu tun, einen Universitätsbereich, der De-Nic heißt (Deutsches Network Information Center), überließen wir auch dies Frau Schaf. »Joern.De« wollten wir heißen, schlicht »http://www.Joern.De« haben, und weil noch kein anderer Jörn auf die Idee gekommen war, konnten wir uns das reservieren lassen, zu einem Preis eines besseren Schlafwagenabteils nach Wien. Eine Internet-Domäne wie alles im Netz virtuell und mitnehmbar. Sollten wir also einmal mit Frau Schaf uns überwerfen – dem sei guter Service vor! – so könnten wir damit zu einem anderen Versorger gehen, theoretisch sogar ins nahe Ausland.

Die Suchrechner wie Alta Vista oder Yahoo, die ständig das ganze Netz durchforschen und beispielsweise schon 3017 Stellen mit Jörn gefunden haben, sie haben uns nicht gleich entdeckt. Wer es eilig hat, kann sich dort mit seiner Adresse, dem URL (Uniform Resource Locator), selbst melden. Wie oft unsere Seite angesehen wird, sagt uns Frau Schaf, nicht aber, wer es war. Das Netz würde das zwar ermöglichen, wir aber wollen nicht zu neugierig werden.

Unsere 82 Freunde mit E-Post-Anschluß wurden über die neue Netzanschrift benachrichtigt, frische Visitenkarten sind im Druck. Trotz heimatlicher Seiten im »Weh-Weh-Weh« treffen wir neue Leute aber doch lieber weiterhin leibhaftig im Kaffeehaus.

FRITZ JÖRN

Erschienen am 13.8.1996 in »Technik und Motor« der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. ©Fritz Jörn und F.A.Z. – Hier das Original des Artikels (pdf, 40 kByte), und hier die Homepage damals ...

Die Geschichte um eine andere Homepage lesen Sie hier.