Eine Glosse über Desktop-Publishing, erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 30. Juli 1991, Teil Technik und Motor:

Unsatz

py. »Oh, es ist schon viel besser geworden.« So muß man wohl sagen, wenn einem die immer leistungsfähigere Hard- und Software das täglich Brot beschert. Aber es wird in Wahrheit nicht besser mit der Seuche des typographischen Dilettierens, es wird allenfalls einfacher, der Mitwelt mit den graphischen Werkzeugen von Computerprogrammen zuzusetzen. Es steckt schon in der Abkürzung DTP, Desktop Publishing: Der Schreibtisch ist das eine und der Umbruchtisch etwas anderes, genauer gesagt, der Arbeitsplatz eines anderen, der ein eigenes Fach zu beherrschen hat. Daß das alles auf einem Bildschirm passiert, ist ungut. Nicht, weil's nur recht wäre, wie es immer war. Daß der Inhaber des Fitneßklubs und Besitzer von 23 Schriftarten an seinem Werbezettel die paar Mark sparen will, die ihn vor schlechtem Geschmack bewahren würden, je nun. Und auf die kindliche Freude, die Speisekarte für die Silberhochzeit in englischer Schreibschrift selbst mit dem PC auf Mitte gestellt zu haben, eins gepfiffen. Aber es kommt soviel »wie gedruckt« daher, was vor ein paar Jahren sich hätte bescheidener geben müssen, weil das Geld gereut hätte, es zur Druckerei zu bringen. Im Verein mit Trennprogramm und Rechtschreibhilfe bringt die Blocksatz-Sucht eine ganz eigene Gattung von Wortungetümen hervor, die nicht eliminiert werden, weil der PC Korrektor ist. Dabei hält Flattersatz den Leser bei der Stange. Oder: sich beim tippenden Verfassen mit den Augen durch ein »Druckbild« quälen zu müssen, schrecklich. Es hatte und es hat viel Sinn, seine Gedanken erst in einer schlichten Schreibmaschinen-Type zu sehen und dann noch einmal in einem Abzug der endgültigen Gestalt durchzukämmen. Nichts gegen einen Fachmann, der die Computermaus zu regieren versteht. Aber DTP-Software sollte es eigentlich nur gegen Vorweisen eines Gautschbriefs geben.
© Hans-Heinrich Pardey und FAZ

Was ein »Gautschbrief« ist, wußte ich auch nicht: »Das ›Gautschen‹ ist das erste Auspressen der nassen Papierbahn auf der Papiermaschine durch zwei Walzen. Der ausgelernte Lehrling wird in ein Faß mit Wasser gesetzt, erhält den ›Gautschbrief‹ und muß einen Freitrunk geben« schreibt der Brockhaus. Und Jürgen F.Schopp hat zum Thema Desktop-Publishing (so die neueste Schreibung im Duden) ein schönes Glossar zusammengestellt.

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