Wie kommt ein Artikel in die Zeitung? - Pressearbeit

Wir lesen alle gelegentlich Zeitung, sind »frei« oder unserem jeweiligen Unternehmen eng verbunden. Warum, so fragen wir uns dann, wird darüber nicht öfter berichtet? Warum berichtet der Stern oder das Handelsblatt nicht über dies und das, das wir selbst sehr spannend finden? Wie kommt überhaupt etwas da hinein?

Jeder sieht die Welt mit seinen Augen an. Mitarbeiter eines Unternehmens, Insider, kennen es viel, viel besser als Außenstehende. Sie haben eine ganz andere Sicht. Das gilt besonders bei weniger bekannten Namen. Bei Coca-Cola mag der Mann an der Abfüllmaschine dasselbe über sein Erfrischungsgetränk denken wie der Kunde am Kiosk. Wer weiß, vielleicht sieht er Cola aber doch anders? Weniger bekannte Marken lassen im »Insider« und im »Outsider« völlig unterschiedliche Bilder entstehen, eventuell einfach gar keine, wenn einer mit einem Namen einfach gar nichts verbindet. So wurde uns kolportiert, daß zum Beispiel Italiener bei »Debis«, wenn nichts dabeisteht, höchstens an ein Geriatrikum denken, industriefremde Deutsche bei »Systemhaus« an ein Fertighaus. Denken wir immer an den Leser. Ist er Insider, Fachmann und Outsider, Laie oder Neuling in der Szene? Grundsätzlich ist anzunehmen, daß jeder Leser viel weniger weiß, als man denkt (sonst bräuchten wir diesen Artikel nicht zu schreiben).

Profis in der Einschätzung des Leserinteresses sind die Redakteure eines Blattes. Die jeweiligen Leser sind ja ihre Kundschaft, auf die sie sich einstellen müssen. Also ist es für die Redaktion am einfachsten, ihre Artikel selbst zu schreiben. Das passiert aber immer erst dann, wenn sie ein Thema für interessant halten.

Die Aufgabe einer kleinen Presseabteilung ist nun, den Redaktionen interessante Themen aus dem Unternehmen nahezubringen. Und hier passieren die meisten Enttäuschungen: Was zum Beispiel der Veranstalter einer mühsam erarbeiteten Ausstellung für hochinteressant hält, für phantastisch und ganz toll, das ringt dem Redakteur nur ein müdes Lächeln ab, besonders wenn die Sache längst vorbei ist, keiner seiner Leser dabei war und keine neue, welterschütternde Aussage gemacht wurde. Es hat eben nicht jeder Viagra als Thema drauf.

Dazu kommt, daß Zeitungen selten ausgewogen berichten, am liebsten sogar über Mißliches, über Unfälle, nicht über glatt Laufendes, Schönes, Frommes, so wie das die Unternehmen gerne hätten. Erfahrungsberichte müssen zeigen, welche Fehler man besser vermeidet, nicht, wie immer alles wunderbar »in time and on budget« lief, leider. Oder haben Sie schon einmal freiwillig über Eisenbahnräder gelesen, bevor sie zum Unglück führten?

Wir müssen den Redaktionen also einzelne, spannende Dinge vorschlagen, bewußt Beiwerk weglassen. Für den Insider mag das Wichtigste fehlen, für den Outsider kann eine Kleinigkeit interessant sein: Daß die Debis in Berlin gerade Rémy Martin als Marke für Accessoires aufbaut, wer hätte das gedacht?

Für gewöhnlich wird zu einem Thema erst einmal eine Pressemitteilung erarbeitet, ein Text, in dem möglichst alles steht, was wir zum Thema zu sagen haben. Jetzt bekommt man den ersten Eindruck, ob »es reicht«: Wenn bei einem neuen Vertrag schon die Vertragssumme fehlt, bei einem neuen Dienst, ab wann man ihn wo bekommen kann, oder wenn erst gar nichts Neues herausgestellt werden kann... Dazu kommt die nötige Abstimmung der Pressemitteilung mit allen Beteiligten. Sie führt gelegentlich dazu, daß am Ende gar nichts mehr wirklich gesagt wird, denn nur wer nichts sagt, sagt nie Falsches - bleibt dabei aber bloß Philosoph, si tacuisses, philosophus mansisses. Außerdem kann in einem großen, vielseitigen Unternehmen leicht dem einem etwas schaden, was einem anderen nützt. Das Ergebnis ist dann wieder eine Nullnummer. Und: Wettbewerbsentscheidende Anwendungen will der Kunde oft nicht publiziert sehen. Altes wiederum lockt niemanden hinter dem Ofen hervor.

Die Pressemitteilung wird dann schriftlich, als Fax oder E-Mail an Redaktionen und Journalisten gegeben, von denen man meint, sie könnten vielleicht daran interessiert sein. Obwohl man eine Pressemitteilung möglichst gleich so schreibt, daß sie eins zu eins abgedruckt werden könnte, wird sie nur ganz, ganz selten so genommen. Die allermeisten Pressemitteilungen werden sogar ganz verworfen. Warum? Es gibt zu wenig wirkliche Neuigkeiten, die Blätter sind voll, und die vom absendenden Unternehmen hoch bezahlte Presseabteilung oder gar eine eingeschaltete Presseagentur hatte nicht den Mut, ihrem »Insider« gleich zu sagen, daß nicht viel herauskommen wird. Die Mitteilung liest sich nur schön im Haus.

Nur gut, daß Artikel nicht allein über Postwurfsendungen (Pressemitteilungen) verkauft werden. Man ruft die Redaktionen an, fragt, ob ein Thema interessieren könnte. Man bietet an, einen exklusiven, sozusagen ganz und gar »à la carte« geschriebenen Text vereinbarter Länge schreiben zu lassen, damit die Redaktion weniger Arbeit hat. Kleine Redaktionen nehmen solche Angebote zuweilen gerne an. Ist der Text nachher zu herkunftslastig, kommt in jeder dritten Zeile Debis vor, finden sich keine Vergleiche zu anderen, dann wird einem nach dem ganzen Aufwand von der Redaktion empfohlen, dergleichen doch in der Werbung zu bringen, dort könne man ganz ungehindert über sich schreiben... Seriöse Redaktionen achten streng darauf, neutral zu berichten. Wer also abgedruckt werden will, der schreibe so, daß die Sache für den Leser interessant ist.

Interessant sind Innovationen (aber nicht alle), mehr Arbeitsplätze (aber nicht immer), große Vertragsabschlüsse (eher selten), Personalveränderungen (an der Spitze), Fakten, Namen, Aussagen, Querverbindungen. »Was bringt’s mir, wenn ich weiterlese?«, denkt sich der Leser bei jeder Zeile und will schon umblättern. Oder haben Sie diesen Artikel bis hierher gelesen? Dann geben Sie mir doch bitte bescheid.

Fritz@Joern.De - www.Joern.De - ©Fritz Jörn MIM

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