Konkret, konkret, konkret!

Wolf Schneider hats in seiner Stilkunde »Deutsch für Kenner« gern »kurz und treffend« (8. Kapitel). Er zitiert den amerikanischen Journalisten William Strunck aus seiner Stilfibel von 1919:

Wenn die Stillehrer sich in irgendeinem Punkt einig sind, dann in diesem: Der sicherste Weg, die Aufmerksamkeit des Lesers zu wecken und wachzuhalten, ist der, besonders, bestimmt und konkret zu sein. Vermeide lahme, farblose, unverbindliche Wörter. Schreibe nicht: »Eine Periode widrigen Wetters setze ein«, sondern: »Eine Woche lang regnete es jeden Tag.«

Lesen wir bei Schneider weiter:

Schon Jean Paul hat das konkrete Wort empfohlen, und es ist überwältigend klar: daß einer »ein ebenso opulentes wie luxuriöses Mahl zu sich nahm«, ist lahm und blaß, verglichen mit der zugespitzten Aussage, die den engsten Umfang hat, die kleinste mögliche Einheit benennt: »Er aß ein Pfund Beluga-Kaviar und spülte ihn mit zwei Flaschen Dom Pérignon hinunter.« Zwei Hennen gackern im Hof und nicht zwei Stück Geflügel. Über das steifleinerne Gehabe des alten Goethe hat keiner boshafter berichtet als Franz Grillparzer, indem er die Lupe auf eine Winzigkeit richtete:

Von den Tischereingnisse ist mir nur noch als charakteristisch erinnerlich, daß ich im Eifer des Gesprächs nach löblicher Gewohnheit in dem neben mir liegenden Stücke Brot krümelte und dadurch unschöne Brosamen erzeugte. Da tippte denn Goethe mit dem Finger auf jedes einzelne und legte sie auf ein regelmäßiges Häufchen zusammen.

Soweit Grillparzer. Jorge Luis Borges lobt an einem historischen Roman aus der Zeit Philipps II. den Passus mit der Specksuppe, »die in einer Terrine mit Vorhängeschloß serviert wurde, um sie vor der Freßgier der Pagen zu schützen« - sieht man da nicht, fragt Borges, das weitläufige Schloß mit den düsteren Treppen und der schlecht behandelten Dienerschaft?

Und damit Ende der Zitate. Das nächste Mal wieder Eigenes.

Fritz@Joern.Dewww.Joern.De – ©Fritz Jörn MIM
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