Druchkunst - eine Glosse von Hellmuth Karasek

Im ›Kultur‹-Teil des Berliner Tagesspiegels lasen wir am Montag, den 22. September 1997, die ›Montagsglosse‹ von Hellmuth Karasek:

Druchkunst

Ein seltsames, ja rührendes Jubiläum feierte die ›FAZ‹ am Wochenende: den 175. Geburtstag des Erfinders Peter Mitterhofer. Der aus Partschins bei Meran stammende lnstrumentenbauer habe 1867 die erste ›richtige‹ Schreibmaschine erfunden. Der also war das, der die Druckkunst zum Heimwerk machte, dachte ich, fand den armen Mann aber in keinem Lexikon. Stattdessen Mill, der in-England 1714, völlig unbeachtet übrigens, die Schreibmaschine erfand. Oder den Dänen Malling Hansen mit seiner ›Schreibkugel‹, die nur große Buchstaben schrieb und nur kleine Papiere bedrucken konnte. Weitere Erfinder, die die Lexika nennen, heißen Sholes und Seulé, die sie in Amerika, ebenfalls 1867 mit dem Mechaniker Glidden konstruierten. Diese Maschine übernahm die Waffenfabrik Remington 1873. Oder man nennt K. F. Drais von Sauerbronn (1832). Oder G. Blickensderfer, der die Typenwalze 1872 erfand. Übrigens hat der Multi-Erfinder und Erfinder-Stall-Besitzer Edison schon 1872 eine elektrische Schreibmaschine erfunden.

Das Geklapper, das dank PC längst aufgehört hat, hätte also gar nicht erst erklingen müssen.

Der vergessene Mitterhofer hat also etwas erfunden, was ›in der Luft lag‹. Sein Pech: Man hielt am Wiener Hofe die Handhabung für zu kompliziert. Und außerdem war sein Schreibgerät aus Holz: Als Instrumentenbauer war der Arme also sozusagen Holzbläser, nicht Blechbläser, also seiner Zeit falsch voraus.

Wie auch immer: Mich erinnerte die Erinnerung an den Erfinder an ein langes Leiden, das mich durch mein Berufsleben begleitet hat und sich als unheilbar erwies. Daß ich nämlich, der ich Schreibmaschine nach dem ›System Adler‹ schreibe (Buchstaben mit scharfem Auge anpeilen und dann mit zwei Krallen hinabstürzen), immer und jedesmal und immer wieder ›druch‹ schreibe, wenn ich ›durch‹ schreiben will. Jedesmal! Ich schreibe ›durch und durch‹, das heißt: ich will es schreiben, und es liest sich ›druch‹ oder sogar ›druch und druch‹. Oder der ›Druchfall‹. Ich meine, ein Wort, das man selten braucht, aber trotzdem!

Die Schreibmaschine hat den Druckfehler aus der Zeitung ins private Schreiberleben verpflanzt. Druch! Und dann fällt mir der arme Mörike ein, mit seinen wunderschönen Gedichten, denen er, als er sie zu einem Bändchen zusammenfaßte, eine Widmung voranstellte, die lauten sollte »Lieder sind wir, flattern heiter in die Welt«. Doch in der ersten Ausgabe hieß das Motto, als hätte ich es mit der Schreibmaschine geschrieben: »Leder sind wir«. Ausgerechnet für Gedichte. Mörike seufzte und korrigierte den Druckfehler für die zweite Auflage seines Büchleins. Und so hieß es, »Leider sind wir...«.

Lieder, Leder, Leider! Druch! Ein Hoch der Druchkunst, Verzeihung. Druckkunst und der Schreibmaschine!

Fritz@Joern.De - www.Joern.De - ©Fritz Jörn MIM

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