Mängel der neuen Rechtschreibung:

Getrennt- und Zusammenschreibung – einfach nicht beachten!

»Einen Gruselfilm reifen Auftritt hat ein 36-Jähriger über Weihnachten in Fürth hingelegt,*)« berichteten die Ostfriesischen Nachrichten »aus aller Welt« am 28. 12. 2., und ebenfalls: »Knapp vier Jahre nach dem Aufsehen erregenden Selbstmord einer Münchner Polizistin zahlt das Land Bayern 12 000 Euro Schmerzensgeld ...«
   Der »Aufsehen erregende Selbstmord« mag meinem Gefühl nach noch passieren, der »Gruselfilm reife Auftritt« ist schicht unverständlich. Besonders im Original, beim »Gruselfilm reifen«, denke ich an Äpfel, die reifen, oder Birnen. Man späht ja meist nach einem Verb, um sich den Satz gliedern zu können. Wenn nun »reifen« schon im dritten Wort keinen Vorgang meint sondern eine Eigenschaft, so ist der Leser verwirrt. Und es kommt beim Schreiben darauf an, dass der Leser rasch und »Klimmzug frei« versteht, was gemeint ist.
   Sie tun mir und (in einer Zeitung) Tausenden von Lesern einen Gefallen, wenn Sie sich nicht immer an die neue Vorschrift des Getrenntschreibens halten. Die praktische Einrichtung zusammengesetzter Wörter im Deutschen, von Haustür bis zur Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, bietet und auch bei Eigenschaften eine kompakte, unmissverständliche (bald: »Unmiss verständliche«?) Darstellung. »Ein gruselfilmreifer Auftritt« ist gut zu lesen, der »Auftritt« bleibt dank Großschreibung (auch ein Vorteil des Deutschen!) offensichtlich die Hauptsache, das Eigenschaftswort – meist unwichtiger – hat seinen gehörig geringeren Rang im Satz. Notfalls setzen Sie: »ein Gruselfilm-reifer Auftritt«, wenn es wirklich auf diesen dummen Film ankommt. Ich nutze die »Hautptwort-adjektivische« Konstruktion selten, meist bei Namen, etwa fremdländischen, die ich bewusst vom Adjektiv absetzen will, bei »Microsoft-empfohlener Software« vielleicht. Durch den Bindestrich ist das immer noch klarer als nur eine »Microsoft empfohlene Software«, die ich im Zweifels- und Betonungsfall unmissverständlich zu einer »von Microsoft empfohlenen Software« mache.
   Kurz: Lassen Sie das mit der neuen Getrenntschreibung (getrennt Schreibung?) einfach sein, wenn es Ihnen (und dem Leser) nicht passt!

P. S. Die irrwitzige Passage unter zu Hilfe nahme fand ich
über hundert Mal im Internet, und natürlich nur unter »Zuhilfenahme« im Duden.

Meine Sprach- und andere Tipps
Fritz@Joern.Dewww.Joern.De – ©Fritz Jörn MMII
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*) Dazu schreibt mir Uwe Hoos:
   Hier erwecken Sie den Eindruck, dass »einen Gruselfilm reifen Auftritt« nach neuer Rechtschreibung korrekt sei. Dem ist mitnichten so (unabhängig von den jüngst entschiedenen Rücknahmen). Der »Aufsehen erregende Selbstmord« ist korrekt, denn der Selbstmord erregt Aufsehen, also ist er Aufsehen erregend. Aber der Auftritt ist nicht Gruselfilm reif, sondern für einen Gruselfilm reif. Bei solchen Verkürzungen (Wegfall des für einen) wird nicht getrennt geschrieben. Die Frage ist immer, ob sich auseinander geschrieben ein sinnvoller und grammatischer Satz ergeben würde – was bei »Aufsehen erregend« der Fall ist, bei »Gruselfilm reif« aber nicht. Ebenso ist die »Microsoft empfohlene Software« nicht nur unschön, sondern schlichtweg falsch, denn es ist eine Verkürzung von »von Microsoft empfohlene Software«+).
   Eigentlich gar nicht so schwierig – aber leider machen das die Journalisten so häufig falsch, dass hierüber allgemeine Verwirrung herrscht und die verbreitete Annahme, so ziemlich alles müsse nun auseinander geschrieben werden.
+) würde ich als »Microsoft-empfohlene Software« schreiben, dereinst vielleicht »microsoftempfohlene«, dann stimmte es wohl wieder ... fj