Genauigkeit, Durchsichtigkeit, Form

In einem lesenswerten, philosophisch-historisierenden Artikel im Wochenendteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. Mai 1991, Der salzige Schrei der Möve, empfiehlt Uwe Pörksen »Genauigkeit, Durchsichtigkeit und Form« für eine bessere Sprache.

»Es ist bekannt, daß die Sprache ein Spiegel des Verstandes ist und daß die Völker, wenn sie den Verstand hochschwingen, auch die Sprache wohl ausüben, welches der Griechen, Römer und Araber Beispiele zeigen« - so zitiert er Leibnitz.

Zuerst kommt »das genaue, sinnliche Wort«, eben »der salzige Schrei der Möve«, das nicht der allumfassende Gattungsname ist, sondern »pars pro toto«, als Teil fürs Ganze stehend, die spezifische Differenz beschreibt, den typischen Einzelfall trifft und im Zusammenhang des Textes beim Leser seine Bedeutung findet.

Dann die »Durchsichtigkeit«, die traditionelle »perspicuitas«. (Was unsereins so »Transparenz« nennt.) Sie bringt das zuvor gefundene Bild in seinen übergeordneten Zusammenhang, in ein vertrautes Feld ähnlicher Dinge, aber nicht in leere, bloß abstrakte Allgemeinheit.

Drittens die »Form«: Kraft, Kontur und Kultur der Sprache. »Form ist eine Prägung für das Gedächtnis, sie stützt es, aber zuvor erlaubt sie, diffuse Eindrücke als Figur aufzufassen«, schreibt Pörksen und wendet sich gegen die »Routine unserer Phrasendreschmaschinen.«

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Dieser Sprachtip vom 27. Mai 1991 war Lorenz Schumacher gewidmet gewesen, dem Sprach- und Lebensfreund, der am 25. Mai 1991 seinen Geburtstag gefeiert und dann am 27. Tandem Computers verlassen hatte.