Ein Tipp für Gendersensible
gewidmet meiner Freund Karin

Grimms Märchen

»Die Rabe«

Für mein Töchterlein haben mir weise literarische Freunde die »Kinder- und Hausmärchen« geschenkt, eine »Jubiläumsausgabe mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm« von Reclam, drei kleine, grüne Büchlein, gut zum mitnehmen (hier zu haben, aber wohl nimmer grün und kleinformatig, siehe Bild).
   Carla ist weniger entzückt, weil ihr die Bilder fehlen. Trotzdem lese ich ihr immer wieder daraus vor, lese vor allem gerne selbst darin.
   Grimms Sprache (zwar orthographisch den Gepflogenheiten des vergangenen zwanzigsten Jahrhunderts angepasst – also hauptsächlich in Groß- und Kleinschreibung), diese Sprache ist so schlicht, so urig, dass ein jeder (ein jedes?) daraus lernen kann.
   »Fehler«, die in Mundarten gang und gäbe sind, die von Korrektoren aller Art heute angestrichen würden, finden sich zuhauf. So etwa Satzverkürzungen. Die doppelte Verneinung kommt, meine ich, auch vor. Das Verb in Einzahl trotz mehrerer Subjekte hab ich auch schon gefunden. Oder das rückbezügliche »sich« ist nicht ganz nach vorn gezogen. Ich muss da noch einmal suchen – Hinweise sind willkommen.
   Jüngst hat mich die Geschichte »
Die Rabe« fasziniert. Wird da doch einfach ein männliches Wort weiblich angewandt: »Die Rabe aber flog weg und niemand konnte ihr folgen.« Das Verfahren hat Potenzial. Vielleicht so: »Hübsch war sie anzusehen, die Kaminkehrer auf dem Dach, und ließ ihr blondes Haar ...«. Sind beide Geschlechter gemeint, dann könnte man »es« setzen: »Kaminkehrer gesucht. Es muss schwindelfrei sein« statt »sie/er muss ...«. Die Mädchen sind bei Grimm ja auch fortlaufend sächlich, heißt es doch »das« Mädchen, und keiner stört sich dran.
   Der Vorschlag ist natürlich nicht ernst gemeint. Es ist ganz praktisch, dass man im Deutschen etwas früher als im Englischen weiß, ob the friend of my daughter nun weiblich oder männlich ist. Oder sprechen die Engländer ganz bewusst nicht von einer friendess, einer Freundin?

Zur »Rabe«, Originaltext, Kommentar, im Wörterbuch
Zur
Hucke, die dort vorkommt – die »Lohhucke« leitet sich wohl eher von der Bedeutung Hucke als Erdhaufen ab: »hucke, im wasserbau, hervorstehende ecke eines deiches oder vorlandes« (Grimmsches Wörterbuch). Ob der Erdhaufen aus »Lohe« bestand, aus Asche oder festem Brennmaterial wie Torf, wer mag es wissen?

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Fritz@Joern.De – ©Fritz Jörn Jan. MMVII