Glosse »Zeitloses Internet« – anklicken für PDF

Zeitloses Internet

fj. Studienfreund Elmar, 57, hat sich zu Besuch angesagt. Man muß ihm eine Anfahrtskizze faxen – dabei steht die doch auf der privaten Homepage. Später, nach seinem Web-Zugang gefragt, antwortete Elmars Gattin zögerlich, abwehrend: Dafür sei ihr Mann zu alt, E-Ablenkungen störten ihn. Da fühlt man sich mit seiner eigenen Web-Site aber noch sehr fit, was? Doch Hochmut kommt vor dem Fall. Der bestand darin, Georg Brittings Erzählung „Brudermord im Altwasser“ auf eben jene Web-Site gestellt zu haben, unter Verletzung des Urheberrechts, einfach, weil die gymnasiale Pflichtlektüre auch noch nach Jahrzehnten als eine der besten Kurzgeschichten überhaupt erscheint, blinde Begeisterung eben. Da trifft aus heiterem Himmel die elektronisch übermittelte Mahnung von Frau Schuldt-Britting ein: Wie man denn dazu käme? Mit hochrotem Kopf wird – elektronisch – der Diebstahl eingestanden in Erwartung von Schadenersatzforderungen. Stattdessen kommt mailwendend freundliche Antwort: Sie habe wohl bemerkt, daß es in guter Absicht geschehen sei. Sie stelle gerade alle Britting-Werke ins Netz, auf www.Britting.com. „Da ich als die Witwe von Georg Britting nicht mehr die Jüngste bin, und auch mein jetziger Mann schon eine würdige Acht vor sich her trägt, fällt uns der Umgang mit der Technik nicht ganz so leicht, und auch wir haben (wie Sie!) unsere Homepage selber gestrickt.“ Die beiden baten um Tips und erhielten gerührt Antwort. Vielleicht besorgt sich der junge Freund Elmar nun doch einen Internet-Zugang?

– Glosse, erschienen am Dienstag, 7. November 2000, auf Seite T1 der Beilage Technik und Motor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. (Bekanntlich ist die FAZ am 1. August 2000 zur Rechtschreibung des zwanzigsten Jahrhunderts zurückgekehrt.) © Frankfurter Allgemeine Zeitung und Fritz Jörn.

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Cordula Betz: Zum 100. Geburtstag von Georg Britting, Fuldaer Zeitung 17. 2. 2001
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